Keinen Bock auf Abstiegskampf

Am Tag des zweiten Advents durften wir zuhause gegen die zweite Mannschaft von Diogenes antreten. Wir waren guter Dinge, nicht nur, da wir nach unserem geglückten Start in die Saison frei aufspielen konnten, während unsere Gegner nach zwei Niederlagen schon etwas unter Druck standen, sondern auch, weil wir mit unserer nominellen 1 – 8 (also inklusive der gesamten Danish-Dynamite-Fraktion) starten würden.

Am Samstagabend trafen wir uns im Caspari, um uns mit lauten Schlachtgesängen auf das Match am nächsten Tag einzustimmen. (Okay, soweit ging es nicht. Es war eher eine gemütliche Runde bei leckeren Speisen und Getränken)

Nur einer hatte das Essen kurzfristig abgesagt: Niels Jorgen war von einer Erkältung niedergestreckt worden und wollte sich lieber zuhause ausruhen, gab aber am Ende des Abends sein Go für seinen Einsatz am nächsten Tag.

Am nächsten Morgen kam dann leider doch die schlechte Nachricht: Niels Jorgen würde nicht spielen. Um 10 Uhr morgens wurde stattdessen Marten aus dem Bett geklingelt, der sich dankenswerter Weise bereitgestellt hatte zu spielen, auch wenn er nach eigener Aussage am Abend „lieber ein Bier weniger getrunken hätte“, wenn er das eingeplant hätte. Durch das Fehlen unseres Brett 1 und dem erzwungenen Aufrücken aller anderen wurde unsere Vorbereitung ordentlich durcheinandergeschüttelt. Die meisten von uns gingen also vergleichsweise unpräpariert in die Partie – außer vielleicht Gregor, der sich mal wieder auf die falsche Farbe vorbereitet hatte und damit auf einmal goldrichtig lag
Am Ende standen wir mit folgender Aufstellung dar:

Christian gegen   Thomas Rieling (DWZ 2058/Elo 2064)
Ich (Christoph) gegen   Oguz Kilic (DWZ 1972/Elo 2123)
Matthias gegen   Ralf Hein (DWZ 1969/Elo 2022)
Gregor gegen   Christian Kalla (DWZ 1966/Elo 1993)
Esmat gegen   Robert Buchholz (DWZ 1938/Elo 2015)
Thomine gegen   Sylvin Müller-Navarra (DWZ 1901/Elo 1956)
Martin gegen   Peter Gröppel (DWZ 1839/Elo 1936)
Marten gegen   Holger Bartels (DWZ 2017/Elo 2080)

Auch ohne Niels-Jorgen waren wir auf dem Papier wohl Favorit, allerdings nicht so klar, wie wir es gerne gehabt hätten. Ich selbst hatte jetzt meine dritte Weißpartie, was gerne so bleiben kann, auch wenn Christian und Matthias da wahrscheinlich nicht unbedingt zustimmen würden…

In den ersten Stunden des Kampfes sah der Wettkampf nach einer äußerst knappen Sache aus. Christian nahm einige Risiken in Kauf, um mit Schwarz die Hauptvarianten und schnelle Verflachungen zu vermeiden. Er besaß zwar langfristige Trümpfe (vor allem zwei starke Zentrumsbauern), aber für den Moment musste er unterentwickelt eine trickreiche Verteidigung führen.

An zwei hatte ich in einer königsindischen Stellung meist das Gefühl ganz gut stehen zu müssen, aber bereits zwischen Zug 10 und 12 verbrieten ich und mein Gegner jeweils locker 20 Minuten pro Halbzug, sodass ich hier zwischendrin ein niveauloses Zeitnotgezocke erhoffte befürchtete.

Matthias schien mit Schwarz sehr bequem ausgeglichen zu haben und machte sich früh dadran mit aktiven Zügen die Initiative zu übernehmen. Allerdings war die Stellung sehr verrammelt, relativ symmetrisch und ungleichfarbige Läufer waren bereits auf dem Brett.

Gregor spielte sein typisches Kraut mit Weiß. Nach 15 Zügen hatten er und sein Gegner eine ziemliche Standardstellung der Variante auf dem Brett – allerdings mit dem Unterschied, dass Gregor circa 3 Minuten verbraucht hatte (und die wahrscheinlich auch nur, weil seine Freundin in der ersten Stunde des Kampfes zugegen war), während sein Gegner über eine Stunde gebraucht hatte, um diese Stellung zu erreichen.

Esmat kam mit Schwarz im Damengamit relativ schnell zu einer annähernd ausgeglichenen Stellung, mehr schien allerdings nicht drin zu sein.

Thomine erreichte eine typische Stellung mit Raumvorteil im Zentrum (d4 + c4 vs. e6 + c6), also die Art Stellung wo man als Kommentator leicht sagen kann „Weiß steht etwas besser“, aber wo jeder aktive weiße Bauernhebel auch leicht nach hinten losgehen kann, wenn man nicht sorgsam ist.

Martin hatte mit Schwarz auch schnell ausgeglichen, allerdings auf Kosten vieler Abtäusche und einer sehr symmetrischen Bauernstruktur. Das erste Remisangebot seines Gegners lehnte er noch ab und versuchte Schwächen am Damenflügel zu schaffen. Ein paar Züge später war aber auch das restliche Leben aus der Stellung gewichen und so wurde das Remis unterschrieben. Martin haderte zwar nach der Partie mit ein paar Entscheidungen, die er im Endspiel getroffen hatte, aber unterm Strich geht so ein solides Schwarzremis wohl in Ordnung.

groeppel_becker

Groeppel gegen Becker, Schwarz am Zug

Im Nachhinein hätte Martin lieber 24…Sc4 gespielt, wonach Schwarz weiter drücken kann. Nach 24…Txc3 25. bxc3 Sb3 26.Ke2 Sxd2 27. Kxd2 wog die Schwäche auf b5 die Schwäche auf c3 auf und so wurde es remis.

0,5 – 0,5

Marten vertauschte in der Eröffnung die Züge (kann passieren, er spielt die Eröffnung ja erst seit 50 Jahren J Da fällt mir ein: alles Gute zum Geburtstag, Marten! Und nachträglich auch dir, Etienne! Und falls noch einer Geburtstag hat(te), von dem ich nicht weiß: Dir auch alles Gute!)

Auf jeden Fall geriet er schnell in eine Benoni-Stellung mit vertauschten Farben, indem sein Lb2 wie ein sehr trauriger Gesell wirkte und auch sonst sah seine Stellung nicht wirklich aktiv aus. Sein Gegner stellte seinen Springer lehrbuchartig nach c5 und drückte e5-e4 durch, wonach Marten eine Qualle geben musste, um in der Partie zu bleiben. Bei offenem Zentrum und ohne Stützpunkte für die eigenen Leichtfiguren war es leider ein hoffnungsloser Kampf.

0,5 – 1,5

Gregor war es, der den Ausgleich markierte. Ein unscheinbarer Bauernzug des Gegners war der entscheidende Fehler. Plötzlich stockte das schwarze Gegenspiel im Zentrum und am Damenflügel, während Gregor am Königsflügel munter angriff. Die gegnerische Zeitnot schadete ihm sicherlich auch nicht und irgendwann brach die schwarze Verteidigung zusammen.

1,5 – 1,5

Am Spitzenbrett hatte Christian die erste Angriffswelle des Gegners überlebt und auf einmal setzte er selbst einen entscheidenden Konter. Sein Gegner überlegte eine Ewigkeit, fand aber keine Verteidigung (es gab auch keine) und wickelte in ein trostloses Endspiel mit zwei Minusbauern ab. Christian ließ sich die Butter nicht mehr vom Brot nehmen und so führten wir auf einmal.

2,5 – 1,5

An meinem Brett konnte ich Damenflügel und Zentrum zu meinen Gunsten öffnen und brachte dann per Springeropfer meine Bauernmasse ins Rollen. Mein Gegner gab die Mehrfigur zurück, konnte aber nicht alle Bauern entschärfen. Kurz bevor mein d-Bauer zum Touchdown ansetzen konnte, gab mein Gegner auf.

kuberczyk_kilic

Kuberczyk gegen Kilic, Weiss am Zug

Das Motiv lag schon ein paar Züge in der Luft, besser schienen mir die Bedingungen nicht zu werden, also: 21. Sd5 cxd5 22.exd5 e4 (Wenn Schwarz die Figur zurückgeben will, wäre 22… Sexd5 vielleicht das Beste. Nett (nicht unbedingt zu empfehlen für Schwarz) sind Varianten wie 22…Sf5 23. d6 Da5 24. c6 e4 (Sd4 25.Txd4 nebst c7) 25.c7 exf3 26.e7! wonach Weiß sein ganzes Material und mehr zurückgewinnt. Erinnert ein bisschen an McDonnell – Labourdonnais, London 1834 für Liebhaber von Schachklassikern

Die Partie ging nach 22…e4 recht schnell zu Ende mit 23.d6 Dc6 24. dxe7 Te8 25. Le2 Txe7 26. Td6 Dc7 27. c6 Dc8 28. Td7 Txd7 29. cxd7 Dd8 30. Ld6 Ta8 31. Dxb7 1:0

3,5 – 1,5

Bei diesem Spielstand willigten Matthias und Thomine jeweils ins Remis ein, wobei es bei beiden eher ein Remis aus „der Position der Stärke“ heraus war.

4,5 – 2,5

Wir freuten uns jetzt bereits wenigstens einmal in der Saison früh essen gehen zu können, schließlich spielte nur noch Esmat in einem „totremisen“ Endspiel. Alle Kiebitze erwarteten einen baldigen Friedensschluss, nur Esmat hatte andere Pläne. Ihr gelang es unter beiderseitiger Bauernumwandlung in ein Damenendspiel abzuwickeln, in dem beide Seiten noch über ihren a-Bauern verfügten, wobei der a-Bauer des Gegners ein Kind des Todes war. Theoretisch noch immer remis, aber praktisch nicht ganz einfach zu verteidigen. Esmat sackte sich den Bauern ein und verwertete ihren Mehrbauern dann sogar verhältnismäßig schnell, nachdem der gegnerische König freiwillig in Richtung der Gegenschachs gelaufen war.

buchholz_guindy

Buchholz gegen Guindy, Schwarz am Zug

Die Stellung sollte Remis sein, allerdings stellte Esmat dem Weißen hier ein paar Probleme mit 1…a5 2. a3 Ke5 3. Kxg5 Kxe4 4. Kf6 e5 5. b4 Kd4 6. bxa5 bxa5 7. c5 e4 8. c6 e3 9. c7 e2 10.c8D e1D

Nach 11.a4 sieht mein Stockfish keine direkte Möglichkeit den a-Bauern ohne Damentausch zu gewinnen, aber sicher bin ich mir da nicht J In der Partie trieb Weiß den schwarzen König mit Schachgeboten Richtung a-Bauern, wonach Esmat diesen gewann und wenig später auch die Partie, nachdem der weiße König Richtung Damenflügel gelaufen war anstatt seinen König in der gegenüberliegenden Ecke (h8) zu parken, was generell die Dauerschachchancen erhöhen sollte (Spaß machts trotzdem nicht).

5,5 -2,5

Am Ende des Tages hatten wir also doch einen recht glatten Sieg auf dem Konto und können nun in aller Ruhe in die Winterpause gehen. Mit 5:1 Punkten sind wir dem Abstiegskampf erstmal entflohen und können in den nächsten Spielen vielleicht auch mal einen Blick nach oben wagen. (Auch wenn das Liga-Orakel unsere Abstiegswahrscheinlichkeit mit 1,5% höher beziffert als unsere Aufstiegswahrscheinlichkeit von 0,2% J ) Am 15. Januar geht’s gegen den Tabellenführer HSK V weiter – wieder als Heimspiel, kommt also alle gerne vorbei [Christoph]

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