Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune

Ja, die gute alte Pippi (76 Jahre inzwischen), sie grüßt uns in die Coronakrise und hat die Runden der Landesliga nummeriert. Denn was kommt nach Runde 1 und Runde 2? Richtig, Runde 6. Was sonst? Es wird weitergehen mit Runden 8 und 3. Dann folgt das Abschlusswochenende aus natürlich den Runden 7 und 9, bevor dann nach dem Abschlusswochenende noch 4 und 5 gespielt werden. So weit alles klar? Uns und der fünften Vertretung des HSK schon – und so schafften wir es tatsächlich am korrekten Datum zur korrekten Uhrzeit mit der korrekten Anzahl Spieler (an letzterem sind andere Mannschaften deutlich gescheitert) anzutreten und Schiedsrichter Axel Chmielewski die folgenden Begegnungen auf die Anzeigentafel zu schreiben:

Wolfgang Schellhorn (2138 Elo, 2072 DWZ)-Jens Ove
Niels Jørgen-André Hold (2081, 1905)
Claus Czeremin (2025, 1940)-Esmat
Matthias-Swen Dunkelmann (-, 2025)
Wolf Gerigk (2007, 1880)-Divyam
Martin-Wolfgang Schulz (2032, 1919)
Madjid Emami (1971, 1925)-Marten
Tareq-Michael Kleiner (2087, 1911)

Und es begann rund: ein sonniger warmer – aber nicht zu warmer – Tag, Rainer L übernahm dankenswerter Weise die 2G+-Prüfung, die alle bestanden, trotz Zeitumstellung allenthalben muntere Gesichter. Das einzige kleine Tröpfchen Wehmut war, dass Wolf Gerigk wegen der A7-Sperrung und des daraus resultierenden Staus einige wenige Minuten zu spät kam, aber dann ging es überall los. Wie immer waren wir vorne, die Gegner hinten etwas besser, aber im Wesentlichen sehen die Aufstellungen ausgeglichen aus, kann ein spannender Kampf werden.

Nun ist es ja so, dass wir immer noch Pandemie haben. Und einen Krieg nahebei. Und das mit dem Klima hat sich auch noch nicht erledigt. Umso mehr freut man sich aber über das kleine Bisschen Abwechslung, auch wenn manch Neurone vielleicht etwas angestaubt im Hinterhirn liegt. Also Hauptsache eine Partie spielen. Entsprechend kamen was die Eröffnungswahl betrifft heute überwiegend Eigenkreationen der 16 Recken aufs Brett, 10 Mal wurde zum Beispiel der Damenläufer fianchettiert. Im Umkehrschluss benötigt das Erfinden neuer Kochrezepte natürlich mehr Zeit als das Abspulen der Najdorfvariante bis Zug 37, sodass erst einmal gar nicht so viel passierte während die Uhren munter tickten. So viel aber vorhergeschickt: eine echte Zeitnot sollte es heute nicht geben, auch wenn es hie und da mal später nur die Minute war, die noch auf der Uhr war.

Ganz so weit sollte es an Brett 6 allerdings nicht kommen. Wolfgang (Jahrgang 1932, das kann hier ruhig einmal erwähnt werden, damit 13 Jahre älter als Pippi) bekam schnell einige Felderschwächen nach h6 und f5, aber Martins Figuren kamen nicht so recht voran. Im Gegenzug musste er nun selber f3 und h3 spielen, sodass es nicht gut aussah. Und wenn es schon einmal dumm läuft, dann lässt man auch einmal eine Figur stehen. Ärgerlich, aber passiert, Mund abwischen, weitermachen, nach etwas über zwei Stunden steht es allerdings dennoch 0:1 – das „Weitermachen“ in dieser Partie bringt nichts mehr, aber nächste Woche ist ja wieder eine neue Chance.

Lassen wir also mal einen Blick über die Bretter schweifen, wo soll er denn herkommen, der Ausgleichspunkt? Und wo der Führungspunkt? Momentan mit 0 Punkten auf einem Abstiegsplatz liegend, wollen wir ja gewinnen. (Anmerkung des Autors – wessen auch sonst? – wir wollen übrigens auch meist gewinnen, wenn wir auf einem Aufstiegsplatz oder im Niemandsland liegen. Aber Abstieg wäre logistisch schon doof wegen des Wechsels auf Wochentagsschach, was für einige nicht in Frage käme.)

Jens Ove ihm seine Stellung sah schon einmal eher möpf aus. Er hatte zwar ein paar Figuren schön gegen die gegnerische Rochade geschoben, aber die hielt erkennbar, Verstärkung war nicht in Sicht und der Rest der Stellung war, sagen wir einmal, nicht im Sinne der Klassiker. Sein Bruder stand nielsjørgig. Beide Spieler hatten erkennbar Figuren auf dem Brett, aber was die da taten – wenn sie überhaupt was taten – verblieb dem Betrachter unklar. Wobei natürlich die Erfahrung zeigt, dass solche Stellungen am Ende häufig gewonnen sind. Und wo wir gerade bei denen, äh, Dänen sind: Esmat hatte eine zumindest sehr angenehm aussehende Stellung, ein gedeckter c4-Freibauer, gegnerische Felderschwächen am Königsflügel, nun nur noch die Figuren geschickt bewegen (das ist ja überhaupt allgemein die Kunst am Schachspiel) und das sollte doch gut werden.

Matthias hatte nicht nur eine Zugfahrt auf eine vierbuchstabige Nordseeinsel vor Augen, sondern auch eine weitgehend normale Stellung auf dem Brett, wobei er meiner Meinung nach für den berühmten d-Isolani nicht wirklich Ausgleich hatte, andererseits war da auch nicht viel Gefahr. Und gleich die zweite normale Stellung war bei Divyam, diese sah für mich sogar noch remislicher aus, weitgehend symmetrische Struktur mit offenen c- und d-Linien, ausgeglichenes Material, aufgrund bewegungsunmotivierter Bauern keine Hebel zur Öffnung von irgendwas, das könnte schnell verflachen.

Nach den zwei „Normalo“-Partien nun zu den beiden Vollfreistilangeboten: Marten (ich) hatte mit Schwarz schnell Ausgleich erreicht und drohte ein grandioses Damenopfer mit neunzügigem Leichtfigurenmatt. Nur leider spielte mein Gegner den dafür benötigten naheliegenden Zug nicht. Außerdem ergab eine Analyse, dass die Folge noch ein kleines Loch hatte. So war aber eine etwas konfuse, gleichzeitig sehr dynamische Stellung auf dem Brett, in der beide Seiten Ideen hatten. Tareq spielt erst d3, dann b4 – und so sah es auch aus. Für den, der sich nicht reindachte, war nur schwer zu erkennen, was die Ideen für beide Seiten waren, ein sehr ungewohntes Stellungsbild. Weiß würde wohl am Damenflügel spielen wollen, Schwarz im Zentrum. Sah aus meiner Sicht für beide annehmbar aus.

Apropos „annehmbar“. Das waren eine knappe Stunde später in kurzer Folge auch Remisgebote an den Brettern 4 (Matthias) und 2 (Niels Jørgen). Somit stand es nun 1:2. Aber was sich erst einmal wie ein Teilerfolg für den HSK liest (größtes DWZ-Minus abgewehrt und das mit Schwarz, obendrein ein gemütliches Robben in Richtung Mannschaftspunkte) war gar keiner, denn wir hatten etwas, was wir in der jüngeren Vergangenheit gar nicht so oft hatten, wir hatten Glück – alle noch laufenden Partien sahen Zug um Zug besser und besser für die Diagonalen aus.

Zunächst bei Divyam. Sein Gegner zog nun doch einige Bauern vor und prompt konnte ein Springer gefesselt werden. Die Fesselung wurde eines Königszuges zwar aufgehoben, aber inzwischen hatten sich die weißen Steine so verklumpt, dass das ganze Brett „Überlastungsmotiv“ schrie. Durch dieses vom Schiedsrichter nicht gehörte Vorsagen durch das Material inspiriert war massiver Materialverlust für Wolf nicht mehr abzuwenden und der Ausgleich erzielt. 2:2.

Es folgte Jens Ove. Wolfgang ließ irgendwie Luft rein und Jens Ove konnte in die gegnerische Stellung mit Schwerfiguren hineinschielen. Das ließ sich zwar alles noch halten – aber auf einmal hatte die weiße Dame deswegen keine Felder mehr und ein simpler Angriff mit dem Läufer beendete die Partie. 3:2.

Den ersten Mannschaftspunkt sicherte uns Tareq. Wie erwartet agierte er am Damenflügel und die schwarzen Blockademaßnahmen gegen den b7-Freibauren bei extrem wirkfreudigen weißen Springern ließen auf einmal Schwarz zusammenbrechen. Der Versuch, am Königsflügel noch einmal Mattdrohungen aufzustellen, konnte durch einen erzwungenen Damentausch abgewendet werden und Nachzählen ergab zwei glatte weiße Mehrfiguren. Grund genug für ein 4:2.

Der zweite Mannschaftspunkt kam durch Marten. Ein ihm von der anderen Seite des Brettes wohl bekanntes Fesselungsproblem ließ auf einmal das komplette weiße Zentrum zusammenbrechen, inklusive abgängiger Landwirte, und nach Abwehr aller weißen Dauerschachdrohungen wollte sich Madjid nicht mehr anschauen, ob ungleichfarbige Läufer im Endspiel auch bei drei verbundenen Wenigerbauern remis sind. 5:2.

Es spielte noch Esmat, von deren Partie ich die entscheidenden Wendepunkte leider nicht mitbekommen hatte. Aber zunächst hatte sie Qualität und Bauern mehr im Endspiel, nach beidseitiger Umwandlung war jedoch auf einmal das Material wieder ausgeglichen – da lief was schief. Tatsächlich hätte nun eher noch Claus versuchen können, bei Dame, Leichtfigur und fgh-Bauern auf beiden Seiten, durch Mattdrohungen etwas zu probieren, aber richtig zwingend sah nichts aus und bei eh schon entschiedenem Mannschaftskampf einigte man sich auf das eh wahrscheinlichste Ergebnis, somit 5½:2½ sowohl für die Diagonale als auch für Schwarz insgesamt – ein Effekt aufgrund der freien Partieanlagen?

Fazit: zwei wichtige Punkte gegen den Abstieg, das Ligaorakel sieht uns nun nicht mehr als Kandidaten Nummer 1 auch wenn noch eine zu hohe Restunsicherheit verbleibt, und das durch einen am Ende doch zu hohen Sieg, der aber trotz des notwendigen Glücks auch davon profitierte, dass wir auch einmal an den hinteren Brettern drei richtig starke Partien durchzogen und auch ohne einen groben Patzer der Gegner punkten konnten, was Hoffnung macht. Der vorstehende Satz ist zu lang, das ist stilistisch nicht schön, mir aber derzeit egal. Dass die vorne spielen können, wissen wir ja. Dürfen sie nächstes Mal dennoch auch gerne wieder zeigen. Da geht es am kommenden Sonntag gegen die alten Bekannten von Weiße Dame, nominell eine Mannschaft, die auch eher nach unten schielt, die aber bereits ein kleines Polster von 6 Punkten angefressen hat und dadurch zeigte, dass das kein Selbstgänger wird. Danach gleich in der darauffolgenden Woche die Nachholbegegnung gegen unsere Nachbarn aus Marmstorf, die parallel zu uns den Auftakt verbaselt und sich jetzt wieder zurückgemeldet haben.

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