Acht Spieler für ein Hallelujah

Nach vereinsweit 2 knappen Siegen, 3 Remis und 14 oft deutlichen Niederlagen in dieser Saison ist es an der Zeit, endlich wieder einen Bericht über einen deutlichen und verdienten Erfolg zu schreiben. Dieser Bericht soll es sein.

Die Überschrift hat allerdings schon einmal keine Bewandnis, irgendwas muss da halt stehen.

Zum Duell Diagonale 1 gegen HSK 3 wurde die Dritte am Morgen von einer Hiobsbotschaft getroffen – Derek fiel kurzfristig aus und musste ersetzt werden, aber zum Glück war man eh zu neunt, so muss der Mannschaftsführer halt auch selber mal die Klötzchen schieben. Die Gastgeber traf es allerdings noch etwas härter, neben den bereits bekannten Verletzungssorgen kamen kurzfristig auch bei ihnen zwei Absagen hinzu, die allerdings durch das Brüderpaar Haschimi aufgefüllt werden konnten. So notierte Schiedsrichter Heinz-Werner Szudra die folgenden Rumpfpartien:

Julian – FM Christoph Kuberczyk (2350)
FM N. J. Fries Nielsen (2305) – Igor
Ole – WFM Esmat Guindy (2128)
Luis Martin-Sommerfeldt (2016) – Tom
Arne – Martin Becker (1926)
Marten Holst (1934) – Björn
Hartmut – Haschem Haschimi (1900)
Said Haschimi – Norbert

Die Drittler waren also von der Zahl her klar der Favorit, das musste auch sein, denn im Abstiegskampf kommt es für die Dritte jetzt auf jeden Punkt an. Für die sympathischen und freundlichen sowie – mag ich es sagen? – extrem gutaussehenden Gastgeber noch mehr, sie hatten in dieser Saison trotz ihres enormen Talents und der grandiosen kämpferischen Einstellung noch nicht punkten können. Davon waren sie aber nicht erschreckt und tischten uns nicht nur Massen an Keksen und Schokolade auf, sondern saßen auch motiviert am Brett.

Bis auf Igors Gegner. Der kam etwas später, um 11:38h. Als Däne ist er wahrscheinlich funktionierende Infrastruktur gewöhnt und war von dem Chaos rund um den Hamburger Elbtunnel kalt erwischt, aber so war er eben 8 Minuten nach Ende der Karenzzeit und Igor konnte mit einem fehlerfreien Auftritt den beruhigenden Führungstreffer verbuchen und früh nach Hause.

Björn war ebenfalls schnell fertig, sein Gegner spielte in der Eröffnung zwei suboptimale Züge der Kategorie „war stets bemüht, über seine Züge nachzudenken“ und auch wenn es nicht, wie von Björn und seinem Gegner beiden am Brett vermutet, eine Figur kosten würde, so doch zumindest die Partie. 2:0 nach nicht einmal 90 Minuten, das konnte sich sehen lassen.

Julian konnte hingegen darauf aufbauen, dass sein Gegner seinen theoretischen Vorbereitungen aus dem Wege gehen wollte – nichtahnend, dass dieser kurz zuvor auch noch von einem Spiel an anderem Brett mit anderer Farbe ausging – und wild spanisch improvisierte. Strukturell war die schwarze Stellung vielleicht sogar einen Hauch besser, aber konkret war Julian erst einmal am Drücker. Dennoch war angesichts der derzeit hervorragenden Form des Gegners und des guten Matchauftakts ein Remis aus bequemer Position heraus sicherlich kein Fehler.

Die anderen Bretter schauten auch sehr angenehm aus. Ole konnte seiner Gegnerin einen Plombspringer auf die offene Reihe setzen, damit die Schwarzklötze komplett entkoordinieren und einen kleinen Bauern einsammeln, das sah sehr bequem auf zwei Ergebnisse aus. Tom hatte auch Raumvorteil und in einem Gegnerisolani auf der halboffenen a-Linie einen bequemen Angriffspunkt, während die weißen Figuren nur deswegen auf den Reihen 1 und 2 standen, weil es 0 und -1 halt nicht gibt. Arne sah sich in einem Caro Kann gegnerischer Initiative auf dem Königsflügel gegenüber, baute aber langsam eine brauchbare langfristig angenehme Struktur auf, etwas als Gegenpol zu Julian zuvor. Als Unterschied konnte man aber werten, dass sein Gegner inzwischen eine Figur dafür investiert hatte, sodass eine Abwehr der Initiative sehr vielversprechend für das Große Ganze sein würde.

Hartmut hingegen hatte ein wenig das Problem, dass es viele gegnerische Schwächen gab, aber die meisten Züge sich nur um eine davon kümmern konnten, sodass er sich entscheiden musste. Auf den ersten Blick bot sich der rückständige d-Bauer an. Nur Norbert war etwas ins Hintertreffen geraten, die Figuren wurden vom Gegner in die Unkoordination gezwungen und wollten nicht so recht miteinander spielen. Allerdings hatte Norbert Glück, dass der Gegner sich auf einen Damengewinn gegen zwei Türme einließ (plus schlechte Stellung für Norbert), ein geschickter Turmtausch hätte hier die schwarzen Figuren vollständig ins strategische Niemandsland befördert.

Aber die Dritte wäre nicht die Dritte, wenn sie nicht die Dritte wäre. Und so brunchte sich Hartmut einen Bauern des Gegners nach dem nächsten zurecht – nur nicht den auf d6 – und irgendwann waren es dann gefühlt 6 Mehrbauern bei immer noch deutlicher Angriffsstellung, das war zu viel, und er konnte den Handschlag seines Gegners zum 3½:½ entgegen nehmen. Ole hatte derweil seinen Mehrbauern in ein angenehm wirkendes Endspiel mit zwei Freien überführt, auf den ersten Blick war das Easy Peasy, seine Gegnerin nervte aber mit praktischen Fragestellungen. Und bei Tom wurde es komplexer, nach Bauerngewinn und Tausch-o-Mania entwickelte sich hier ein Springerendspiel mit Mehrmaterial, allerdings wurde Toms Springer an den gegnerischen a-Bauern gebunden, der zunehmend der Dämlichkeit entgegenschritt und dem Monarchen bereits enteilt war. Dafür hatte er selber allerdings dort wo die Musik spielte zwei Verbundfreie auf e und f (jeder dann noch einen auf h), die in Verbindung mit eben jenem Monarchen auf ein Vorwärts warteten.

Jenes Vorwärts trat aber zumindest bei Ole nicht ein, nach 20 Zügen schien weiß keine Fortschritte gemacht zu haben, seine Gegnerin aber wohl, und auf einmal wurde klar: die beiden freien Bauern waren nicht nur dies, sondern auch isoliert und weit weg von eigenen König, der obendrein beim Näherkommen auch noch seine Damenflügelbauern im Stich ließ – schwupps, weg waren sie.

Aber bevor jemand zu pessimistisch wird: Arne konnte die gegnerischen Drohungen weitgehend abwenden und drohte mittlerweile selber in die gegnerische Stellung einzudringen, weswegen sich der bedrängte schwarze König zur Flucht nach vorne entschied. Was dann bei relativ vollem Brett auch mal matt werden kann, heute wurde er auf h4 zur Strecke gebracht und der Mannschaftssieg war gesichert.

Was langsam auch wirklich beruhigend war, denn das Momentum war eher gegen uns. Ole hatte seine Stellung weitestgehend weggegeben, nach Verlust seiner stolzen Landwirtschaft war auf einmal er es, der nach Stunden des Vorteils um das Remis ringen musste, gefühlt war die Stellung inzwischen bei genauem Spiel verloren (Tablebases sagten bei späterer Befragung allerdings noch „Draw“ – von „to draw“, auf Deutsch unter anderem „ziehen“, man sollte also ruhig noch ein paar Züge machen und noch nicht aufgeben). Tom war inzwischen in eine Zugwiederholungsschaukel des gegnerischen Springers gelangt, die im Gewinnsinne nur durch die kompensationslose Aufgabe eines Bauern abgewandt werden konnte. Sah zwar alles immer noch gut aus, aber der Gegner hatte jetzt eben beide Randbauern frei. Norbert konnte zwar durch ein Ablenkungsmotiv noch eine Figur gewinnen, also jetzt Figur und zwei Turms gegen Dame und Bauers, kam aber mit seinem Mehrmaterial nicht so recht voran, zu viele Drohungen des weißen wildgewordenen Weibs wirkten wahrlich wagneresk, äh, gefährlich, ob Dauerschach oder Gabel oder manchmal auch potenziell Matt.

Doch am Ende: wenn es löppt, dann löppt’s; haste Glückskeks anne Hände haste Glückskeks anne Hände. Norbert kam doch noch durch und begann, Bauern zu fressen. Insbesondere einen, der den weißen König bis dato schützte und jetzt war Norbert es, der alles drohte. Unterschied: nichts war mehr abwendbar. 5½ Punkte. Und Ole entkam in einem schlechteren Endspiel, das aber nie die Weiterzieheinstellbreite verlassen zu haben scheint, ins Remis. 6 Punkte. Als letzter durfte dann auch Tom jubilieren, seine beiden verbundenen Freibauern kamen je ein Feld nach vorne, und auf einmal reichte der Platz für den weißen König nicht mehr, sodass auch sein Springer den von ihm beschirmten Randbauer Freibauer sein lassen konnte, denn schwarz mahlte schlicht zuerst.

Damit stand ein 7:1 auf dem Spielbogen. Und obwohl die Gastgeber bärenstarke Schachspieler sind und einen beispiellosen Einsatz bis zum Letzten zeigten, denke ich schon, dass dieses 7:1 hoch verdient war. Hier und da wackelte es mal einzeln, aber in der Gesamtheit eigentlich nie. Ein großer Sieg für die Dritte, ein kleiner Schritt für die Menschheit – und leider der endgültige Abstieg für die knuffeligen Gastgeber, denen aber für die Zukunft nur das Beste zu wünschen ist.

Und endlich mal wieder ein Bericht über einen großen Erfolg auf der Homepage der Diagonale.

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