Landesliga Runde 2: Die Punkte bleiben in Harburg

Am ersten Ruhetag der Schach-WM lag es am heutigen Sonntag an uns Landesligaspielern, die Schachfans weltweit mit kämpferischem Schach nahe der Perfektion zu verzücken. Naja, das mit dem kämpferischen Schach wird jeder bestätigen, der heute dabei war. Das mit dem perfekten Schach wird zumindest keiner der Leser widerlegen können, da dieser Bericht komplett ohne Partiefragmente auskommen wird:)
Zu Gast waren unsere alten Bekannten von der weißen Dame. Zum Glück verzichtete Schiri Nils Altenburg auf seinen Vorschlag, am 11.11 die Partien erst um 11:11 anzupfeifen, denn da mein Gegner erst circa 6 Minuten nach dem Start am Spiellokal ankam, bekam ich ausnahmsweise live mit, welche Eröffnungen an den anderen Brettern so gespielt wurden. Jens Ove und sein Gegner Peter-Rene Mandelbaum (Elo 2091/DWZ 2090) ließen sich scheinbar von der Eröffnungswahl der WM-Kämpfer inspirieren, wenngleich Jens Ove aus seiner Weißpartie mit deutlich weniger Problemen rausging als die beiden 2800er. Niels Jorgen ließ seinen Gegner Florian Popist (1904/1915) ein schönes Zentrum aufbauen, um dieses bei erster Gelegenheit mit c7-c5 anzugreifen. Als Antwort wählte Weiß einen Aufbau mit langer Rochade und es entstand eine extrem zweischneidige Stellung. Christian legte seine Eröffnung gegen Georg Lansky (1959/1977) sehr ruhig an, holte sich aber das Läuferpaar und spielte auf einen kleinen Vorteil mit aktiveren Figuren.
Matthias verfolgte mit Schwarz eine ähnliche Strategie, musste gegen Andrej Martens (2040/ 1989) aber zumindest einen Raumnachteil als Kompensation für das Läuferpaar in Kauf nehmen. Seine Stellung war dadurch ganz bequem, aber es war schnell absehbar, dass Weiß vermutlich in der Lage sein würde, mit Massenabtäuschen in eine remisige Stellung abzuwickeln. So kam es dann auch und wenngleich in der späteren Analyse mit Jens Ove noch ausgefallene Ideen probiert wurden, um die Remisabwicklung zu verhindern, war das Unentschieden doch das logischste Ergebnis. 0,5-0,5
Esmat überließ ihrem Gegenüber Lars Schiele (2095/ 1991) in der Eröffnung eine Menge Raum am Königsflügel, versuchte in der Folge aber erfolgreich die geschwächten Felder, die die vorgepreschte schwarze Bauernmasse hinterlassen hatte, auszunutzen. Aus der positionell angelegten Partie wurde allerdings schnell ein taktischer Schlagabtausch, als Esmat mit einem feinen Scheinopfer auf Bauernjagd ging und Lars seinerseits mit trickreichen Zwischenzügen antwortete.
Martin (natürlich wieder mit Schwarz) wurde von Jan Ludwig (2052/ 2011) in einer ziemlichen Nebenvariante getestet, in der Weiß vorübergehend einen Bauern opfert, um mit seiner Dame die Entwicklung des gegnerischen Königsflügels zu behindern.
Etienne wählte eine ruhige Weißeröffnung, aber zeigte im Anschluss keine Scheu für Ungleichgewichte in der Bauernstruktur zu sorgen. Tatsächlich entstanden in der Partie gleich verschiedene interessante Strukturen, die äußerst zweischneidig waren.
Ich selbst wählte eine solide Erwiderung gegen den Aufbau meines Gegners Vincent Heinis (2073/ 2074), der sich mit einem Damenfianchetto (b2-b3) aufgebaut hatte. Der Schein war aber trügerisch, denn als mein Gegner im zehnten Zug mit h2-h4 loslegte, war klar, dass meine Partie kein positionelles Rumgeschiebe werden würde. Ich gab mein Läuferpaar auf, um unmittelbare Drohungen gegen meinen König zu vermeiden, hätte diese Entscheidung bei genauem Spiel meines Gegners aber vielleicht bereuen können. Zum Glück lief mein Gegner in einen Trick, der ihn Läuferpaar und Bauern kosten sollte und nachdem er mit seinem König in ein Schach lief, das er lieber nicht hätte zulassen sollen, gab er auf. 1,5-0,5
Die nächsten Partien entschieden sich in der Zeitnotphase. Martin hatte seinen König geschickt am Damenflügel in Sicherheit gebracht und hatte für eine gegebene Qualität allerhand Gegenspiel. Mit wenig Zeit auf der Uhr passierte ihm aber ein Missgeschick, das ihn die Partie kostete. 1,5-1,5
Christians Partieanalage sah für mich aus, als hätte er ständige Kontrolle über die Partie. Nach der Partie beklagte er zwar seine eigene Ideenlosigkeit, aber da er dies nach jeder seiner Partien tut (egal wie überzeugend er gewonnen hat), vertraue ich mal meinem ersten Eindruck:) Als die Partie an Schärfe gewann, behielt Christian einen kühlen Kopf und nutzt einen Fehler vom Gegner zum vollen Punkt. 2,5-1,5
Jens Ove hatte sich in der Zwischenzeit einige positionelle Vorteile rausgespielt, auch wenn Peter-Renes Stellung sehr solide aussah. Mit einem schönen taktischen Ablenkungsopfer beseitigte Jens Ove einen gegnerischen Bauern auf c5 und konnte fortan ein Endspiel mit Mehrbauer führen. Im Endspiel zeigte er seine ganze Klasse und gewann überzeugend. 3,5-1,5
Sein Bruder hatte es geschafft, eine ganze Menge Bauern zu gewinnen, die in einem Endspiel Dame vs. 2 Türme wohl auch so zum Sieg gereicht hätten. Wie auch immer, Niels Jorgen ließ es nicht darauf ankommen. Mit einer Kombination, wie gemacht für jedes Taktikbuch, konnte er die gegnerischen Figuren so hinlocken, dass in jedem Fall ein Turm abgefallen wäre. Sehr sehenswert! 4,5-1,5
In Etiennes inhaltsreicher Partie hatten beide Seiten ihre Möglichkeiten. Schwarz gelang es, die gefährlichen Schwerfiguren vor seinem König abzutauschen und ein Springerendspiel mit gedeckten Freibauern zu erreichen. Etienne zeigte aber gute Technik und hielt den Laden problemlos zusammen. 5-2
Am längsten spiele Esmat. Aus dem taktischen Geplänkel ging sie mit einem Springer vs. Läufer Ungleichgewicht heraus, allerdings bei offenem Zentrum und einem Springer, dem der Rückzug abgeschnitten schien. Ihr Gegner gewann einen Bauern und Esmat war um ihre Stellung nicht zu beneiden. Am Ende schaffte sie es aber die Leichtfiguren abzutauschen und in ein Turmendspiel abzuwickeln, das sie ganz stark halten konnte. Damit ergab sich der Endstand von 5,5-2,5, was unser höchster Sieg seit knapp zwei Jahren sein müsste. (Marten hätte es genauer recherchiert:) ) Zur Belohnung schieben wir uns auf Platz 3, knapp hinter Eimsbüttel und Pauli, die beide ihre ersten Spiele extrem hoch gewinnen konnten. In zwei Wochen (25.11) heißt es in Großhansdorf die Siegesserie fortzuführen. Mit perfektem Spiel sollte das gelingen.
Christoph

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