Blitzpokal 2017 – Spieler, Uhren und Figuren

Im Vorfeld des diesjährigen Blitzpokals gab es leider viele Absagen der bekannten Prominenz aus Film, Funk und Alter Forst. So meint ein G. S. (Name der Redaktion bekannt) Urlaub haben und auf Kreta das Wetter genießen zu dürfen, ein gewisser C. K. gab gar erst gar keine Begründung an, nur seine Abwesenheit, und selbst die beiden Schachwarte waren abgekündigt. Gleichzeitig fühlten sich vielleicht gerade deswegen viele berufen, in diesem Teilnehmerfeld eine Chance zu wittern, und so kamen letztlich die glückliche Anzahl von 13 Recken in der alten Forst, um einen der sechs Titel des Vereins auszuspielen (Meister, Pokalsieger, Blitzmeister, Blitzpokalsieger, Weihnachtsmann, Sylvesterhase). Da das nicht ganz einem vollen Pokalbaum entsprach, wurden noch schnell drei der Gebrüder Freilos, nämlich Armin, Marcel und Horst-Dorschbert, eingeladen, und los konnte es gehen.

Leider begann alles mit einem organisatorischen Fehler, der das Turnier aus der Balance warf. Dave hatte einen Plan, Marten schrieb Lose und erzählte viel rum, und Fynn zog die erste Runde. Allerdings bekamen nicht, wie vorgesehen, Marten, Fynn und Dave die drei Freilose – sondern Marten, Fynn und Martin – obwohl die Chance auf ein Davefreilos dort bereits 50% betrug.

Modus war für die ersten zwei Runden je zwei Partien und im Falle eines 1:1 ein Armageddon (später würde in der unteren Hälfte nur noch eine Einzelpartie gespielt werden, damit nicht zu viele Wartezeiten entstehen). Letzteres (zur Erinnerung: Im Armageddon hat Weiß eine Minute mehr, dafür reicht Schwarz ein Remis) fand in der ersten Runde gleich zwei Mal statt – einmal in der Begegnung zwischen Matthias und Haschem, in der ersten Partie konnte ein Haschimispringer noch in Massen Material abräumen, in der zweiten und auch in der zum Siegen verdammten dritten Runde setzte sich Matthias allerdings langsam und souverän durch. Gerd lieferte Andrei drei harte Partien, konnte ihn einmal über die Zeit heben, aber am Ende war es dann doch der Favorit, der triumphierte. Auch ansonsten gab es eher Favoritensiege.

Runde 1:
Andrei-Gerd 2:1
Detlef-David ½:1½
Hendrik-Etienne 0:2
Matthias-Haschem 2:1
Tobias-Rainer J. 2:0
Fynn-Freilos 2:0
Marten-Freilos 2:0
Martin-Freilos 2:0

Die zweite Runde war schon entscheidender – hier würde es die ersten Aussteiger geben müssen, in je zwei Partien wurde ums Überleben gekämpft. Hier erwischte es endlich die drei Freilose sowie leider auch Hendrik. Im oberen Paarkreuz hingegen wurde es weitestgehend spannend. Während Andrei gegen Fynn noch klar gewann, warf Matthias gegen Marten eine klare Gewinnstellung weg, indem er zu viel Gegenspiel zuließ – konnte sich aber letztlich doch durchsetzen, um dann im Rückspiel sich in ein ausgeglichenes Endspiel zu zähen – und bei ungleichfarbigen Läufern durch Bauernopfer anzudeuten, dass hier für Marten nichts mehr zu holen war. Sowohl Martin-Dave, als auch Tobias-Etienne gingen in den Armageddon, anders als in der ersten Runde (zwei Weißsiege) konnten sich hier jeweils die Schwarzen durchsetzen. Besonders Etienne „Ich kann gar nicht blitzen und mein Zeitmanagement klappt nicht“ Döderlein zeigte dabei den Biss eines hungrigen Hulk, obwohl er einmal eben doch zugeben musste, dass Zeit beim Blitzen entscheidend sein kann – aber eben im Armageddon nicht war.

Obere Hälfte Runde 2:
Andrei-Fynn 2:0
Dave-Martin 1:2
Matthias-Marten 1½:½
Tobias-Etienne 1:2

Untere Hälfte Runde 2:
RainerHendrik 2:0
DetlefFreilos 2:0
GerdFreilos 2:0
HaschemFreilos 2:0

Ab Runde drei wurde dann bei den Schon-mal-verloren-Gehabten entgegen der Ausschreibung auf nur eine Partie gewechselt, damit die ab jetzt doppelt so vielen Runden nicht zu extremen Wartezeiten führen sollten. Ein Schritt, der sich bewähren sollte – es wurde letztlich spät genug – aber natürlich Madame Fortuna Tür und Tor öffnete. Zumindest einigten wir uns, ihr soweit in die Hände zu spucken, als wir Farbausgleich herstellen wollten – keiner sollte, soweit möglich, nur weiß oder schwarz bekommen können. Hier erwischte es zunächst Detlef gegen Tobias, Gerd gegen Marten und Fynn gegen Haschem ohne all zu besondere Vorkommnisse, lediglich Dave fand grundlos, nein, keinen Dameneinsteller, sondern einen Läuferzug über mehrere eigene Figuren hinweg, was nach nochmaliger Regelkonsultation so nicht vorgesehen war. Schade – es wäre ansonsten ein vernichtendes Schach gewesen. Da Dave nun nicht mehr das nach ihm benannte Manöver des Dave bringen konnte, erledigte Marten dieses in der zweiten Halbrunde für ihn, und da Rainer schon seit Jahrzehnten „noch nicht so lange“ Schach spielt, gab er für Abtausche entspannt Material zurück um am Ende mit Dame und mehreren Freibauern gegen Turm zu gewinnen. Im anderen Duell kam es nach unglücklichem Figurenumwurf zu etwas Aufbauchaos und plötzlich zwei gefallenen Zeiten, und obwohl klar war, wessen zuerst fiel (es lebe die Digitaluhr) war doch unklar, was wie gerade hätte verlaufen sollen, sodass die Partie wiederholt wurde. Dort konnte sich letztlich Tobias durchsetzen und Haschem zum Heimweg verurteilen – den letzterer allerdings noch bis zum Ende verzögerte.

Im oberen „klassischen Halbfinale“ erinnerte sich Matthias gegen Martin seiner Erlebnisse der Vorrunde und setzte nach gewonnener erster Partie wieder auf die Waffe des schnarchologisch remisen Endspiels. Auch wenn es nicht so zwingend remis war wie noch eine Runde zuvor, so bewährte es sich. Etienne hingegen knabberte im angesichts der Protagonisten erwarteten Zeitmanagementduell gegen Andrei weiter souverän durch. Letzterer war dabei entgegen seiner ersten Hoffnung noch nicht heimwegsberechtigt, sondern ging gemeinsam mit Martin in die Trostrunde.

Oben Runde 3:
Etienne-Andrei 1½:½
Matthias-Martin 1½:½

Unten Runde 3a:
DetlefTobias 0:1
GerdMarten 0:1
HaschemFynn 1:0
RainerDave 1:0

Unten Runde 3b:
MartenRainer 0:1
TobiasHaschem 1:0

Runde vier sah nun bereits das Finale im klassischen Sinn. Den Kontrahenten Döderlein und Wasmuth wurde in ihren jeweiligen Ecken noch einmal mit dem Handtuch Luft zugefächelt und Wasser ins Gesicht gespritzt – ganz ohne Blessuren waren sie beide nicht hierher gekommen, die Narben der Siege verzierten ihre Gesichter. Aber Matthias war wie im Rausch – in der zweiten Partie reicht ja das Remis im Endspiel, wenn man die erste gewonnen hat, so erfuhr er in den Vorrunden, und dieses Wissen nutzte er gnadenlos aus. Doch noch hatte er nicht gewonnen, der Sieger der Trostrunde würde gegen Etienne für das echte Finale gegen ihn bereit stehen, und was, wenn Matthias sein Pulver zu früh verschossen hätte?

Im Trosthalbfinale (ist geteilter Trost eigentlich halber oder doppelter Trost?) hatte Martin das Regularium nicht richtig verstanden – zum einen hatte er nicht mitbekommen, dass nur eine Partie gespielt wurde (zum Glück, wie er sagte, sonst hätte er wohl anders gespielt), zum anderen ebensowenig, dass man gegen Rainer mit einer slapstickreifen Einlage auszuscheiden habe, so setzte er sich ebenso durch, wie Tobias gegen Andrei, dessen Wille nun aber gebrochen schien, souveräner Sieg für Tobias. Der danach allerdings im Trostfinale gegen den Blitzmeister doch noch ausschied – Martin ließ den Anzugsvorteil nie aus den Händen und anders als bei der gerade stattfindenden TCEC-Computermeisterschaft war dem Zuseher klar, was warum passierte. Zumindest zum größten Teil. Womit mit Martin und Etienne zwei Spieler im Halbfinale standen, die beide schon gegen Matthias gespielt hatten und auf Revanche aus waren. Mit Feuereifer wurden die Klötze geschoben, aber letztlich war es Le Tartare, der frische Franzose, der sich souverän gegen seine eigenen Vorhersagen durchsetzte (anders als das Medium Hendrik H., das entscheidende Teile der Auslosung der ersten Runde und der folgenden Ergebnisse, speziell seines gegen Etienne, korrekt prognostizierte).

Oben Runde 4:
Etienne-Matthias ½:1½

Unten Runde 4a:
RainerMartin 0:1
TobiasAndrei 1:0

Unten Runde 4b:
MartinTobias 1:0

Halbfinale:
MartinEtienne 0:1

Abschließend also Etienne gegen Matthias, wobei Etienne zwei Mal würde gewinnen müssen, da Matthias ja bislang noch nicht angeknockt war. Also bis zu theoretisch sechs Partien waren möglich. Der Favorit setzte dabei wenig originell auf die inzwischen sattsam bekannte Technik des „erst einmal gewinnen und dann einfach ein Endspiel remis halten“ setzte – aber Etienne war vorbereitet und gewann einfach das Rückspiel nach Zeit. Somit ging es in den möglicherweise entscheidenden Armageddon und hier sah sich Matthias auf einmal als Weißer mit seinen eigenen Waffen konfrontiert – während ja oft fraglich ist, ob das „Schwarz reicht das Remis“ auf unserem Niveau ein ausreichender Ausgleich für Anzugsvorteil und Zeitbonus ist, konnte Etienne zeitlich schnell beinahe ausgleichen und auf einmal war ein hochsymmetrisch aussehendes Endspiel mit allerdings gleichfarbigen Läufern die Situation, die Matthias zum Kneten zwang. Letztlich gelang ihm aber doch das entscheidende Manöver, und mit 2 gegen 1 Bauern war in der konkreten Stellung für Etienne keine Festung mehr möglich, da Matthias den für seinen Läufer richtigen Randbauern hatte. Somit wurde die Hoffnung der anwesenden Zuschauer auf ein „finales Finale“ zerschmettert und Matthias nahm letztlich verdient die Glückwünsche der Fans entgegen, denn er war es, der Blitzpokalsieger 2017 des SV Diagonale-Harburg.

Finale:
Matthias-Etienne 2:1

Somit nahm ein langes aber sehr schönes und vor allem spannendes Turnier sein Ende. In netter Athmosphäre schien das Schwert des KO-Damokles gleichmäßig zu beflügeln und zu hemmen, sodass auch viele der vermeintlich klareren Begegnungen gar nicht so klar waren – symptomatisch hierfür auch, dass der Turniersieger nicht ein einziges 2:0 erreichen konnte. Oder dadurch, dass auch erklärte Zeitschlunze wie Andrei, Etienne oder Marten meist spielerisch gewannen und verloren. Die Ausgeschiedenen nutzten hingegen ihre Zeit, um nebenher noch ohne KO-Gefahr zu blitzen, Hendriks Schachbibliothek durchzuarbeiten, oder sogar die verbliebenen Pro- und Antagonisten an- und abzufeuern. Und uns selber alle am Ende abzufeiern.

Endstand:
1. Matthias
2. Etienne
3. Martin
4. Tobias
5. Andrei
5. Rainer
7. Haschem
7. Marten
9. Dave
9. Detlef
9. Fynn
9. Gerd
9. Hendrik

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