UnE-Dia – ein überflüssiger Bericht

Wenn MacGyver gefesselt in einer Garage sitzt, wissen wir bereits vorher, dass er gleich eine Büroklammer und ein altes Kaugummi finden und sich damit eine Garagentorfernbedienung bauen wird. Und genauso wissen wir auch, dass Union und Diagonale 4:4 spielen werden. So war es im letzten Jahr. So war es im vorletzten Jahr. Und vor drei Jahren. Und überhaupt.

Aber man will ja nicht nur das Ende mitbekommen, sondern auch die Spannung des Verlaufs. Und dieses Jahr war schon die Vorgeschichte spannend – die Tabellenlage der Landesliga war schuld. Nachdem sowohl der HSK als auch St. Pauli aller Wahrscheinlichkeit nach als Aufsteiger durch eigene Mannschaften geblockt sind, verbleiben die beiden Protagonistenmannschaften als wahrscheinlichste Kandidaten. Wir momentan noch mit weißer Weste, Union wurde gegroßhansdorft, ist aber in Schlagweite. Somit ein guter Zeitpunkt, alles aufzubieten, was Rang und Namen hat.

Und folgerichtig taten das auch beide Mannschaften nicht. Union verzichtete unfreiwillig auf Ralf Adloff, wir aufgrund von Festspielgefahr auf Daniel. Und dann kam am Sonnabend die Meldung, dass Niels Jørgen krank sei und nur zu 70% spielen kann. Sicherheitshalber geriet Matthias in Aktionismus und verpflichtete Andrei (aufgrund diverser dann abzusagender Verpflichtungen nur teilbegeistert), der dann durch Marten noch einmal als Reservereserve ersetzt wurde. Der Fall trat ein, NJ konnte nicht spielen, und somit kam es zu folgender Spitzenbegegnung unter dem pfiffigen Peter Grotrian:

Christoph-Gerrit Voigt (2169)
Andreas Förster (2168)-Jens Ove
Christian-Holger Henrich (2090)
Lutz Franke (2069)-Matthias
Esmat-Markus Winter (2005)
Karlheinz Leonardi (1999)-Martin
Etienne-Detlev Jarnuczak (1967)
Martin Rehm (2019)-Marten

Der Beginn unserer hochspannenden Geschichte mit völlig offenem Ausgang verlief danach eher schleppend. Es sei ausreichend darauf hinzuweisen, dass nach zwei Stunden Spielzeit vom Schiedsrichter Zugzahlen wie „9“ auf seinem Bogen vermerkt wurden. Aber auch in diesen wenigen Zügen, plus eventuell einiger vorgegriffener Entwicklungen, steckte manch erfreuliche Entwicklung für die Diagonale. Wobei anzumerken ist, dass der hiesige Schreiberling in tieferen Ligen spielt und keine Ahnung vom Spiel hat – fachlich fundierte Berichte mit relevanten Partiefragmenten findet man traditionell eher auf der Homepage der Heimmannschaft.

Christoph entwickelte bei gegengerichteten Rochaden Druck auf einen rückständigen gegenerischen d-Bauern und stand für den Laien beziehungsweise Berichterstatter erst einmal schön. Jens Ove hatte zur allgemeinen Überraschung eine etwas unorthodoxe Eröffnung, in der er versuchte, dem weißen Monarchen die Hölle heiß zu machen. Allerdings hatte er zwar schon das Streichholz in der Hand aber noch kein brennbares Material geschweige denn einen Brandbeschleuniger.

Christian kam gegen Holger auch wunderbar aus der Eröffnung heraus, viel aktiveres Spiel und Mitnahmeideen am Königsflügel versprachen Möglichkeiten der Bepunktung. Matthias hatte mit Lutz den erwarteten Gegner – allerdings in Unkenntnis der Ausfälle mit der falschen Farbe vorbereitet, er stand vielleicht etwas passiv, aber ohne dass jetzt besondere Probleme bestanden.

Esmat kam aus der Eröffnung mit einer asymmetrischen Bauernstruktur und dem Berichterstatter beziehungsweise Laien schien dieses in Verbindung mit den halboffenen Linien und Läufer gegen Springer in offener Stellung eher positiv als negativ zu sein. Martin konnte mit Schwarz bequem ausgleichen und auch gleich das Remis unterzeichnen – mit dem Geburtstag der Herz-Dame zu Hause hatte er ausreichend Motiv, den Tag kurz zu gestalten.

Etienne bekam tatsächlich eine vorbereitete Variante aufs Brett, sodass er nach schnellen ersten Zügen Reservezeit für eine spätere genaue Analyse angespart hatte, während Marten mit 1. f4 mit etwas für ihn auf dieser Brettseite völlig neuem konfrontiert war, aber außer einem Minimalanzugsvorteil in einer außerordentlich symmetrischen Stellung für den Gegner nichts verblieb.

Diese insgesamt sehr erfreuliche Brettbeschau wurde noch durch Betrachtung der Uhren ergänzt, hatten doch außer Marten und Matthias alle Diagonalen den deutlich geringeren Zeitverbrauch aufzuweisen. Die beiden Genannten kompensierten das jedoch fast vollständig, insbesondere Matthias‘ Zeit könnte bedenklich werden.

Spätere Handyprogrammschnellanalysen ergaben hier durchaus auch objektiv eine höchst angenehme Lage, Christian zum Beispiel wusste zu berichten, dass er glatt auf Gewinn stand, und auch an Christophs Punkt sollte eigentlich kein Zweifel mehr bestanden haben.

Doch nun war die Zeit für Entwicklungen. An Brett 1 gab es wohl keine objektive Veränderung der Bewertung, allerdings war Gerrit sehr ressourcenreich, die praktische Aufgabe überaus schwer zu machen, sodass dem Berichterstattlaien Angst und Bange wurde. Ebenso an Brett 2 – Jens Ove hatte zwar inzwischen einen Bauern mehr, aber Andreas stand deutlich dynamischer, der schwarze Läufer auf d6 war im Herzen ein Bauer und auch der Turm auf b6 hatte die Nachhaltigkeit einer Fußballnachwuchsspielertransferpressekonferenz.

„Ja, also, schon als Kind war b6 eines meiner Lieblingsfelder, b6 ist ja eines der bekanntesten Felder in Europa, ich hatte natürlich wie jeder in meiner Klasse b6-Bettwäsche, und nachdem ich schon auf a5 und b5 gestanden hatte, war b6 der logische nächste Schritt und ich natürlich sehr froh, als der Anruf kam, ob ich nicht hier herziehen wolle, denn das ist natürlich eine spannende neue Herausforderung. Insofern bin ich sehr stolz, dass ich jetzt auf b6 stehen darf, und hoffe, dass ich meine Karriere hier beenden kann.“ Sprach’s, und ward nie wieder gesehen.

Christian ließ derweilen das Laienherz einfrieren, als er nach einem Bauerngewinn und einem beinahe forcierten Antwortzug seines Gegners geschlagene 40 Minuten ins Grübeln kam, hier musste etwas am Plan nicht ganz aufgegangen sein, und tatsächlich wurde er langsam ausgekontert und spielte Klimmzüge um, so Zitat, noch einen Zug mehr nicht aufgeben zu müssen. Ein Ziel, das Matthias auch verfolgte, aber nachdem seinem Gegner ein Einbruch gelang, stand er mit Wenigerbäuerlichkeiten und einem massiven Zentrum des Gegners auch mit dem Rücken zur Wand. Eine Wand, die gewisse nicht zu nennende amerikanische Präsidenten mit Glück und Stolz erfüllt hätte, und sicher billiger war, aber für Matthias war sie jetzt eben die Rückendeckung.

Nun, wenn die normaler Weise sicheren Punktegaranten an 1 bis 4 straucheln, dann ist es an 5 bis 8 zu zaubern, so war der Deal vor der Saison. Also zeigt mal was Ihr könnt, wackere Hinterbretter. Wobei, Martin zeigt nichts mehr, der ist weg. Aber die anderen: Esmat gab ihren Leichtfigurenvorteil, aber die Schwerfiguren standen dafür zauberhaftig, und ein Bauer wurde schon einmal gefrühstückt. Etienne konnte die einzig offene Linie sicher unter Beschlag nehmen und in die Gegnerstellung einmarschieren, ein Remisgebot lehnte er daher zwar nicht müde lächelnd aber doch freundlich bestimmt ab. Marten konnte durch Gegendruck im Zentrum vollständig ausgleichen, und als sein Gegner einen Qualitätsgewinn sah, wurde letzterer zu gierig und nahm ihn – mit drei Freibauern für die Qualität, die obendrein aus zentralem unvertreibbaren Springer gegen passiven Turm bestand, war das aber überkompensiert.

Und auch Esmats Stellung verbesserte sich noch einmal durch eine nette Taktik – der gegnerische Freibauer, der als Gegengewicht zum Mehrmaterial diente, konnte aufgrund von Gabelfrühstücksmotiven genommen werden, nunmehr war es nur noch Mehrmaterial. Ihr Lieblingsehemann hingegen sah sich neben den erwähnten Motiven nun auch noch mit einem Monsterspringer auf e6 mitten in seiner Stellung konfrontiert. Zum Ausgleich entwickelte er Nervideen mit Fesselungs- und Dauerschachmotiven, aber schön war das nicht.

Matthias nutzte die Zeit, in der ich dies schrieb, um schon einmal aufzugeben – hier war nichts mehr zu holen, die Partie kannte nur eine Richtung, rückwärts, und Lutz gelang die Revanche für seine eher unglückliche Niederlage beim letzten Aufeinandertreffen der beiden Recken. Und auch Etienne stand zwar unverlierbar, musste aber einsehen, dass er wohl auch nicht mehr wirklich würde gewinnen können, und teilte den Punkt mit dem Gegner ungefähr in der Mitte.

Mittlerweile lebten die verschiedenen Protagonisten teilweise schon diverse Züge nur noch von den berühmten Bonussekunden und die erlösende Zeitkontrolle war nicht überall nah. Das nur als Präambel dessen, was nun geschieht:

Christian steht bei entspannt -11,47 (Schätzwert) und fragt sich, was er machen soll – also macht er Remis. Der Gegner fand den endgültigen Ausschalter nicht und befürchtete wohl, am Ende des Tages auf dem geopferten Läufer sitzenzubleiben. Möglicherweise hatte er auch, da keine Zugwiederholung, die Stellungswiederholung übersehen. Egal, puh, der halbe Punkt kam unerwartet.

Martens Gegner startete noch einen verzweifelten Behumpsversuch durch Qualitätsopfer und nachfolgende geplante Linienöffnung, worauf sich die Frage ergab „rechnerisch optimal spielen oder die für die praktische Partie einfachste Gewinnfortsetzung nehmen“ – er entschied sich für rechnerisch optimal. Im ersten Zug. Der zweite führte dann stracks von +5,91 auf -6,78. Zwar kein klassischer, auch kein lupenreiner, aber am Ende des Tages eben doch ein Dave. Der Punkt hätte wiederum nicht abgegeben werden müssen.

Und auch Jens Oves Partie ging nun zu Ende – angesichts seiner bisherigen eher durchwachsenen Saison und einer beeindruckend knappen Zeit ließ sich Andreas auch ohne Waffengewalt oder Bestechung auf ein Remis ein.

Wer mitgezählt hat, kommt auf 2:4. Berufsoptimist Haschem meinte zwar im Vereinschat „Ihr schafft den Sieg noch!“, aber vor Ort waren wir uns nicht so sicher, dass das noch etwas werden würde, wir befürchteten eher, dass wir wahrscheinlich mit einem Remis würden zufrieden sein müssen.

Wobei beide noch laufenden Partien schon nett aussahen. Esmat hatte einfach zwei Mehrbauern im Turmendspiel, das bedurfte zwar noch des Knetens, aber auch wenn noch nicht datenbankgeprüft, und auch wenn eine ähnliche Struktur vor einigen Jahren bei Datenbankprüfung in der Tat remis war, so gab es hier entscheidende Unterschiede. Ich weiß zwar nicht welche, aber es musste sie einfach geben.

Christoph hatte inzwischen zunächst eine Qualität gewinnen können und danach die Bauernverhältnisse zu seinen Gunsten korrigiert, rein materiell war das simpel, wäre nur der nicht mehr mit dem König erreichbare gegnerische Freibauer nicht. Irgendwann würde der Turm sich opfern müssen, also muss der Gegenspringer davon abgehalten werden, es ihm gleich zu tun. Oder nur so, dass der Dannimmernochmehrbauer auch durchgebracht werden könnte.

Letztlich sollten dann aber beide Partien unspektakulär ihren Gang nehmen. Weder Esmat noch Christoph übereilten ihr Spiel, verstärkten bedächtig, was es zu verstärken gab, und irgendwann gewann dann zunächst Esmat, danach dann wurde der Springer endgültig weggeboxt, und auch ohne Turm durfte Christoph abschließend den Handschüttler zum 4:4 entgegen nehmen.

Damit konnten wir den Hauptkonkurrenten auf Abstand halten. Ein Sieg und die damit verbundene Vier-Punkte-Führung wäre zwar durchaus möglich gewesen, noch wahrscheinlicher allerdings hätte es auch eine Niederlage sein können, die Union uns wieder direkt gleichgestellt hätte, bei unsererseitig schwierigerem Restprogramm. Von daher ein dickes blaues Auge, und das Ligaorakel hat uns sogar um 0,6 Prozentpunkte verbessert. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass dieses seine Berechnungen durch die bisherigen Saisonergebnisse korrigiert und daher wahrscheinlich irrtümlich übersieht, dass jeder einzelne von uns jederzeit für einen Klops gut ist. Aber wir haben es selber in der Hand, dadurch hat sich durch dieses 4:4 nicht viel geändert.

Und damit ist nichts passiert, wie ich oben schon andeutete, war dieser Bericht komplett überflüssig.

 

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