Wir haben mit 1-8 gespielt

Tatsächlich trat Diagonale 1 in nomineller Bestbesetzung an, ein unerhörtes Erlebnis, das wir zuletzt 2018 feiern durften, vor Corona, vor Olaf, vor Kaiser Friedrich. Aber nun zurück in der Stadtliga haben wir ja keine Probleme mehr mit Ersatzspielern, also nutzen wir auch keine, logisch geht anders.

Der Auftakt zur Deutschen Meisterschaft 2028 begann schon einmal vielversprechend, eben mit voller Mannschaft. Matthias, Tareq, Marten, Tobias, Haschem, Said, Martin, Andrei – das liest sich wie ein Super-GM-Turnier in St. Louis, war aber nur unsere bescheidene heutige Aufstellung gegen Altona/Finkenwerder. Mit allen Brettern wären sie leicht favorisiert gewesen, da aber zwei Spieler fehlten, war auf einmal unser Schnitt minimal höher, wie sich jeder selber ausrechnen kann, wenn er die Paarungen sieht:

Swen Neander (2024)-Matthias
Tareq-Amran Parindra (1967)
Emhmed Abdurrahman (1902)-Marten
Tobias-Lucas Brauner (1819)
Soner Topuz (1817)-Haschem
Said-Frank Wiekhorst (1696)
Mahmood Amini (1603)-Martin
Andrei-Heyko Christ (1579)

An 2-5 also Altona leicht favorisiert, an 1 und 6 wir, an 7 und 8 stärkere Vorteile für die Heimmannschaft. Der Plan stand: vorne alles gewinnen und hinten dann punkten.

Als erstes fertig war Matthias, Swen lenkte schnell in eine theoretische Zugwiederholungsstellung ein, und Matthias ging seinerseits darauf ein, ein Remis mit Schwarz ist ein guter Start ins Comeback der Legende. Auch Marten spielte nicht all zu lange: in einer Stellung, in der einiges an Taktiken in der Luft hing, vereinfachte Emhmed stark und bot Remis, erneut, ein halber Punkt mit Schwarz ist nicht schlecht und das Feuer war raus aus der Stellung. Also außer, wenn man Stockfish fragt, der sah Schwarz schon mit 1,3 vorne. Die Zugfolgen, die er allerdings vorschlägt, finde ich jetzt nicht besonders natürlich.

Nun denn, wie sahen die anderen Bretter so aus? Tareq gönnte sich mal wieder eine unorthodoxe Idee (2. Le2), stand aber angenehm solide. Tobias‘ Stellung hatte schon mehrere Abtäusche zu verkraften, eine fast symmetrische Stellung mit Neigungswinkel gen Unentschieden. Haschem stand sehr beengt und lavierte seine Leichtfiguren immer mal wieder auf die hintere Reihe zurück, während Said raumgreifend vorbauerte. Martins Gegner schien ihm gar Übles zu drohen (naja, nicht schien, er drohte), aber mit einem schönen Zug zeigte unser Becker, dass das eben nur drohte, aber nicht kommen würde, und ergriff die Initiative, während Andrei erst einmal nichts anbrennen ließ, sein Gegner allerdings auch nicht.

Die ersten größeren Ereignisse passierten dann unseren Lieblingsbrüdern: Haschem versuchte, etwas offensiver zu agieren, und prompt versperrte ein Turm einem Läufer ein wichtiges Rettungsfeld. Ein Qualitätsopfer ohne Kompensation war die Folge. Saids Gegner hingegen versuchte erfolgreich, die Haschimi-Bauernmacht zu unterminieren. Zwar vorerst ein Mehrbauer, aber es war klar, dass der nicht von Dauer sein könnte.

Gar schreckliche Entwicklungen. Da musste Martin kontern. Er schaute einmal auf die Bauern- und Figurenstruktur seines Gegners, und da hing doch einiges in der Luft. Nichts war zu diesem Zeitpunkt herausnehmbar, aber er konnte die weißen Klötze schon sehr passiv zurückdrängen. Die auf den ersten Blick riskante kurze Rochade (nach g6 und ohne schwarzfeldrigen Läufer, dafür bei halboffener h-Linie, war es gar nicht – bis die weißen sich entknotet hätten, könnte sein König notfalls fußläufig nach a8 auswandern. Ein schönes Brett und es war schon klar angenehmer, als sein Gegner versuchte, mit einem Springer auf f6 einzudringen – was ihn einen Bauern kosten sollte und damit sollte das doch gewonnen sein.

(Bitte übrigens ab jetzt nach jeder Stellungsbeschreibung ergänzen „Tobias hatte ein Springerendspiel mit je sieben verschachtelten Bauern und ohne jede Möglichkeit, einzudringen“.)

Tareq sprungfederte inzwischen los, sein schwarzfeldriger Läufer drohte links und rechts, die Bauern bauten Spannung im Zentrum auf, die sich jederzeit überallhin entladen könnte, auch das sah angenehm aus. (Tobias hatte ein Springerendspiel …) Andrei verlor nun durch eine Taktik einen Bauern, aber war im Nachhinein gar nicht so unglücklich, die Situation brachte seine Figuren auf aktivere Felder und er hatte viel Spiel. (Tobias hatte ein Springerendspiel …)

In der Summe war alles nicht so schlimm, Martin spielte weiter präzise und baute seinen Vorteil schrittweise aus, seine Bauern und Figuren rückten weiter und weiter vor und von Gegenspiel keine Spur, jetzt definitiv gewonnen.

Das könnte Haschems Stellung ausgleichen, in der … Moment, wieso hat er auf einmal einen Turm auf der zweiten (aus seiner Sicht siebten) Reihe? Und was macht der Springer auf g4, droht der etwa Gabeln? Und bei Andrei taktikt es auf einmal zurück, mit einem schönen Springeropfer gewinnt er im Endeffekt zwei Bauern, ein dritter kippelt auch schon gewaltig, die schwarzen Türme haben keine richtigen Felder, hmm … (Bei Tobias ergab nachzählen: jupp, je sieben Bauern und ein Springer) Das könnte etwas werden.

Said lässt sich nun auf eine Zugwiederholung ein – er hätte zwar per Damentausch einen weit vorgerückten Freibauern bekommen können, auch bombenfest deckbar durch Läufer, aber dafür dem Gegner die offenen Linien lassen und einen Angriff erlauben müssen. Und wie er sagte, und keiner von uns wird überrascht sein, liegt ihm das Verteidigen nicht so sehr wie der Angriff. Also 1,5:1,5.

Wobei Martins Gewinnstellung, was ist eigentlich aus der geworden? Ah, der Gegner hatte genug gesehen. Genauer: die Regeln hatten genug gesehen, denn Martin setzte Matt und danach ist Weiterspiel nicht möglich. Das war ihm in einer Turnierpartie das letzte Mal wahrscheinlich im letzten Jahrtausend passiert und auf einmal kamen Regelfragen wie „Muss ich die Uhr drücken oder anhalten?“ (Antwort: egal), „Wie schreibe ich das auf?“ (Antwort: #). So oder so, es steht 2,5:1,5. Tobias‘ Stellung wirkte etwas remislich, also tendenziell 3:2.

Was ist inzwischen aus Haschems Gegenspiel geworden? Nun, es schien etwas versandet, aber es gab Zinsen, so war es auf einmal ein Bauer für die Qualle, und während nach einem Damentausch zwar keine Mattbilder mehr drohten, so waren die weißen Klötze doch alle sehr gebunden. Wenn er sich aber entknoten könnte, dann wäre das wahrscheinlich auf hohem 2700er-Niveau (also unserem) verloren.

Andreis Gegner versuchte jetzt, mit Mattdrohungen irgendwie noch etwas zu werden, aber ein Cotaru, der bleibt da eiskalt, präzise und überhaupt, nimmt noch einen Bauern mit und wehrt dann alles ab. Klare Gewinnstellung, aber bei beiden wird die Zeit knapper (beim Gegner allerdings noch knapperer als beim Diagonalen). Und wo wir das Thema „knappe Zeit“ ansprechen, was ist denn bei Tareq los? 4 Minuten für 9 Züge? 1 Minute für 4 Züge? – Sein Problem war, dass er letztmalig ohne Inkrement Anno Tobak gespielt hat und im Geiste war die Zeit daher immer „rettbar“. Nun, als die Problematik sehr groß wurde, schaffte er zwar die Zeitkontrolle, aber eben unter anderem mit einem eher ungenauen Zug und die Stellung wechselte von „aktiv spielbar“ zu „komplette Ruine mit keinen Bewegungsmöglichkeiten“ – selbst wenn Parindra zehn Züge hintereinander mit dem König nur hin- und hergezogen hätte, hätte sich Tareq wahrscheinlich nicht befreien können. Daher stand es kurz darauf dann auch 2,5:2,5.

Aber inzwischen hatte sich bei Haschem gezeigt, dass die Verpflichtungen der weißen Figuren, sich untereinander zu decken, doch etwas viel wurden, nachdem Haschem seinen Mehrbauern loslaufen ließ. Der war zwar aufzuhalten, aber dann fiel taktisch ein Turm, und das glaubte Soner Haschem dann auch, sodass wir wieder führten. 3,5:2,5. Dass bei Tobias ein verschachteltes Springerendspiel ohne Einbruchsmöglichkeiten auf dem Brett stand, hatte ich glaube ich noch nicht erwähnt, aber inzwischen kam die Nachricht auch zu den Spielern durch. Trotz ungünstiger (aus ALT/FKW-Sicht) Spielsituation gab es letztlich kein anderes mögliches Ergebnis, als das, was nun kam. 4:3.

Blieb Andrei. Inzwischen waren wir bei 2 gegen 1 Minuten bei noch 4 Zügen. Emhmad schrieb schon mit. Und wie so oft, obwohl sie beide wissen, dass es nur noch 4 Züge sind, blitzten sie erst einmal die nächsten 15. Heyko probierte noch einen Matttrick, den Andrei aber sah, und als die Plättchen dann fielen und es ans Vervollständigen der Partieformulare ging (Emhmad war irgendwann raus, wir hätten rekonstruieren müssen), gab Heyko sich dann lieber geschlagen, angesichts von Qualität und zwei Bauern mehr für Andrei bei stark reduziertem Material und drei schon auf die fünfte Reihe vorgerückten entfernten verbundenen Freibauern sicherlich verständlich.

Damit ein wunderbares 5:3. Und wieder einmal zeigte sich: Black is Okay. 5:3 gewannen die Schwarzen, was hätte das für ein Kampf werden können, wenn Matthias und Marten ihren Nachzugsvorteil besser genutzt hätten. Aber auch so passte es. In der Liga spielen sechs fast gleichstarke Mannschaften gegen den Abstieg, gegen einen Mitkonkurrenten gepunktet zu haben, ist sicherlich kein schlechter Auftakt. Obendrein zeigte sich, dass ein Managerwechsel eben doch etwas bringen kann – nach den letzten erfolglosen Saisons unter Matthias und Martin konnte Marten gleich im ersten Spiel nicht nur eine Top-Mannschaft präsentieren, sondern hat auch den gewünschten Erfolg wieder an die Alte Forst gebracht. Die Stimmung in der Kabine ist auch schon eine ganz andere.

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